Nicht immer läuft alles glatt in der Schule. Manchmal machen Probleme den Kindern und ihren Eltern das Leben schwer: schlechte Noten, Schulangst, Schwänzen oder ein Verhalten, das aneckt … Wir haben mit Fachleuten gesprochen und eine Menge gute Tipps bekommen.

Dass Schule nicht immer Spaß macht, wissen wir alle. Und wenn ihr ein Schulkind habt, hattet ihr sicher auch schon gelegentlich mit größeren oder kleineren Schwierigkeiten zu kämpfen. Mit der ganzen Palette von Schulproblemen vertraut sind Psychologen, Pädagogen und Sozialarbeiter, die sich hauptberuflich der Sorgen und Nöte von Schulkindern annehmen.

Schulprobleme – ein weites Feld

LRS, ADHS und Co.

„Schulprobleme“ werden sehr oft als Grund genannt, wenn Kinder im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) der Kinderkliniken Prinzessin Margret in Darmstadt vorgestellt werden. Wenn die Schwierigkeiten im Lern- und Leistungsbereich liegen, steckt manchmal eine Lese-Rechtschreib- (LRS) oder Rechenschwäche dahinter. Im SPZ können solche Teilleistungsstörungen diagnostiziert werden. Christine Morhard,  Psychologin am SPZ: „Oft werden diese Probleme in der Schule zu spät erkannt. Das kann zu schweren emotionalen Fehlentwicklungen und auch Verhaltensstörungen führen.“ Auch Konzentrationsprobleme kommen bei Schulkindern häufig vor, erklären Marion Gallinat und Marie Kremer, Schulpsychologinnen am Staatlichen Schulamt Darmstadt. Nicht immer bewahrheitet sich der Anfangsverdacht auf ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung). Fest steht aber, „dass Kinder, die Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren, ein größeres Risiko für Lern- und Schulprobleme haben“, so Marion Gallinat.

Stören, Schulangst, Schwänzen

Auch Udo Bender und seine Kolleginnen von „KOMM – Beratung in Schule und Sozialraum“ des CJD Rhein-Main sind im Rahmen der Schulsozialarbeit im direkten Kontakt mit Schülern, deren Eltern und Lehrkräften. Ein Großteil ihrer Arbeit befasst sich mit „auffälligem Sozialverhalten“ wie störendes und destruktives Verhalten im Unterricht, respektloses und aggressives Auftreten gegenüber Mitschülern und Lehrern. „Wir erleben auch Kinder, die am Unterrichtsgeschehen desinteressiert sind, bis hin zum totalen Rückzug. Solche fallen weniger auf, aber gerade auf sie müssen wir ein besonderes Auge habe – auch um Schulverweigerung vorzubeugen.“ Bei der Erziehungsberatung der Stadt Darmstadt begegnen der Sozialpädagogin Johanna Wagner-Volkmann immer wieder auch Schulkinder mit psychosomatischen Problemen wie Bauch- oder Kopfweh: „Manchmal stecken Ängste dahinter oder das Gefühl, überfordert zu sein.“ Dieser Leistungsdruck tritt keineswegs nur im Gymnasium auf. „Es gibt Drittklässler, die schon über das Abitur nachdenken und sich über Noten und Leistung definieren“, weiß Schulpsychologin Marie Kremer. In wenigen Fällen kann dieser Druck in selbstverletzendes Verhalten und suizidale Gedanken münden. Eine weitere mögliche Folge von Ängsten und Frustration: Schulvermeidung (fachsprachlich Schulabsentismus) – in Abgrenzung zu dem, was man landläufig als Schwänzen bzw. Schulunlust bezeichnet.

Vielfältige Ursachen

Und wo liegen die Gründe für solche Probleme? Fest steht: Schulschwierigkeiten lassen sich nicht isoliert betrachten. Allgemein belastende Situationen wirken sich auch auf das Lernverhalten aus.

Krisen und Belastungen

Das kann Stress mit Freunden sein, ein schwieriges Verhältnis zu Lehrern oder Mitschülern oder eine problematische Phase in der Familie wie Trennung und Scheidung. Auch Arbeitsplatzverlust, psychische Probleme eines Elternteils oder eine schwere Erkrankung sind solche Krisenmomente. Aber auch widersprüchliche Wertesysteme können dafür sorgen, dass ein Kind in der Schule nicht zurechtkommt. Schulpsychologin Marion Gallinat beschreibt es so: „Wenn Kinder in einer Familienkultur aufwachsen, die sich sehr von der Schulkultur unterscheidet, ist ein großer Graben zu überbrücken. Umgekehrt gilt: Je mehr die Verhaltenserwartungen der Schule mit der Sozialisation der Familie übereinstimmen, desto leichter ist das für das Kind.“

Auf Leistung getrimmt

Viele Eltern legen großen Wert auf Schulerfolg. Johanna Wagner-Volkmann von der Erziehungsberatung: „Wir erleben oft sehr leistungsorientiertes Erziehungsverhalten. Eltern meinen das gar nicht böse, sie wollen einfach ihrem Kind eine gute Basis mit auf den Weg geben. Beziehung, die sich über Schulerfolg und Leistung definiert, kann aber Widerstand in den Kindern regen.“ Dieser Leistungsanspruch wird manchmal auch nur implizit durch das Vorbild der Eltern vermittelt, wirkt aber trotzdem massiv, betont auch Schulpsychologin Marie Kremer.

Zeitkiller moderne Medien

Die intensive Nutzung moderner Medien wie Computerspiele und soziale Netzwerke gilt ebenfalls als eine Ursache für Schulprobleme. Für Lernen und andere Aktivitäten, die für die Entwicklung wichtig sind, bleibt dann zu wenig Zeit. Marion Gallinat verweist noch auf einen anderen Aspekt: „In Anzeige den virtuellen Welten kommt man leicht zu Erfolgserlebnissen. Das kann zu einer veränderten Sicht auf die eigene Person führen; Durchhaltevermögen und Leistungsbereitschaft, die in der Schule gebraucht werden, werden dort nicht wirklich trainiert.“

Gesellschaftliche Anforderungen

Auch Veränderungen in den Familienstrukturen können ein Grund dafür sein, dass die Komplexität der Schulprobleme zugenommen hat. „Kindsein hat sich verändert“, meint Schulsozialarbeiter Udo Bender. „Es wird erwartet, dass Kinder heute früher vernünftig und erwachsen sind – was sie aber nicht sind.“ Auch in der Erziehungsberatung merkt man das, so Johanna Wagner-Volkmann. „Eltern sind heute mehr und mehr gezwungen,  gleichermaßen berufstätig zu sein. Und so ist es ein schwieriges Geschäft, den Kindern Struktur, Kontrolle und vor allem Bindung in Form von Halt und Orientierung zu geben.“ Eines sollten wir uns klarmachen, meint Schulpsychologin Marie Kremer:  „Verhaltensauffälligkeiten zeigen immer ein Bedürfnis des Kindes. Denn Kinder handeln nicht in irgendeiner Form bösartig, sondern ihr Verhalten ist ‚entwicklungslogisch‘.“

Lösungen finden

Nachfragen

Deshalb ist es auch wichtig, Schul- und Lernprobleme ernst zu nehmen. Schulsozialarbeiter Udo Bender rät: „Fragen Sie nach, wenn Ihr Kind öfters mit ‚Heute war’s blöd!‘ aus der Schule kommt.“ Hilfreich sind offene Fragen, meint Marie Kremer. Also nicht: „War’s gut in der Schule?“, sondern: „Was hat dir heute gefallen, was nicht?“ Wenn man das Gefühl hat, dass was schiefläuft, empfiehlt sie Ich-Botschaften: „WIR machen uns Sorgen, WIR haben damit ein Problem.“

Selbstvertrauen stärken

Es ist ganz wichtig, dass wir Eltern unserem Kind den Rücken stärken. „Vermeiden Sie eine defizitäre Sicht aufs Kind und seien Sie offen für seine Stärken UND Schwächen“, rät Sozialpädagogin Wagner- Volkmann. „Der Bildungsweg sollte an die individuellen Fähigkeiten angepasst sein. Wird ein Kind hier überfordert, besteht die Gefahr, dass das Selbstwertgefühl und die weitere Entwicklung massiv gestört werden.“ Leider kommt es aber manchmal vor, dass wir bei der Wahrnehmung unseres Kindes seine schulischen Leistungen ins Zentrum stellen. Marion Gallinat hat dazu einen Tipp: „Fragen Sie sich selbst, ob das Thema Schule in der Kommunikation mit Ihrem Kind einen angemessenen Raum einnimmt oder ob Sie vielleicht mehr Platz für andere Themen haben wollen. Ja? Dann ändern Sie es!“ Was auch hilft: sich erinnern, wie man sich selber als Schüler gefühlt hat. Denn wir alle hatten irgendwann mal Probleme mit Gleichaltrigen, Lehrkräften oder Lerninhalten. Schulpsychologin Marion Gallinat: „Erzählen Sie davon! Für Ihr Kind kann es ein hilfreiches Modell sein oder aber eine Entlastung: Auch die Eltern haben mal Schwierigkeiten gehabt.“ Und wie strukturiert oder chaotisch sind wir eigentlich selber in unserem Alltag? „Wenn wir in den Spiegel schauen und unser eigenes Verhalten reflektieren, wächst zugleich unser Verständnis für die Situation des Kindes“, meint SPZ-Psychologin Christine Morhard. Die Schwierigkeiten der Schule und des Lebens können wir Eltern für unser Kind nicht beseitigen. „Aber wir können ihm helfen, damit umzugehen“, so Marion Gallinat.

In Kontakt bleiben

Auch wenn es eigentlich Basics sind: „Im Alltag sollten wir uns Zeit nehmen für echtes Miteinander und aufrichtiges Interesse“, meint Johanna Wagner-Volkmann. „Respektvoll miteinander umgehen, Vertrauen und Liebe schenken gerade in Belastungssituationen.“ Und wenn sich das Kind zurückzieht? „Es ist wichtig, trotzdem in Kontakt zu bleiben“, sagt Marion Gallinat. „Besuchen Sie den Einzelgänger in seinem Zimmer, verbringen Sie etwas Zeit zusammen; vielleicht finden Sie so für ein Gespräch zueinander.“

Mit allen Beteiligten kooperieren

Auch ein guter Kontakt zur Schule zahlt sich aus. „So können manche Probleme abgefangen werden, bevor sie entstehen“, erklärt Schulsozialarbeiter Udo Bender. „Bringen Sie sich ein, gehen Sie zu den Elternsprechtagen, erleben Sie Schulalltag mit!“ Gerade wenn man nicht weiß, ob das Verhalten des Kindes noch im Normbereich ist, sind Lehrkräfte wichtige Ansprechpartner. Überhaupt ist es ganz natürlich, als Eltern unsicher zu sein, betont Schulpsychologin Marie Kremer: „Es ist völlig in Ordnung, sich Hilfe zu suchen. Ein neutraler Gesprächspartner kann Orientierung geben, wie es weitergehen kann.“ Engagierte Fachleute wie die, die in diesem Artikel zu Wort kamen, machen Schulsozialarbeit, bieten Beratung und Begleitung von Kindern und Familien. Sie alle arbeiten ineinander verzahnt, ergänzen sich und wissen auch, wo es weitere Hilfe gibt. Trotz der Herausforderungen, die ihnen in ihrem Arbeitsalltag begegnen, ist bei allen eine optimistische Grundhaltung spürbar. „Die überwiegende Mehrheit der Kinder geht ihren Weg gut durch die Schule!“, so die Erfahrungen des Schulsozialarbeiters. Schulpsychologin Marion Gallinat macht Mut, dass man mit der richtigen Einstellung Krisen und Konflikte gemeinsam meistern kann: „Zuversicht, Gelassenheit und Hoffnung sind gute Zutaten, wenn man auf sein Kind schaut. Denn auch wenn es Probleme gibt, ist es ein tolles Kind und genau richtig so, wie es ist.“

Kontaktadressen

  • CJD Rhein-Main, KOMM – Beratung in Schule und Sozialraum- Schulsozialarbeit für Schulen im Sozialraum Darmstadt-Innenstadt Süd, www.komm-cjd.de
  • Darmstädter Kinderkliniken Prinzessin Margret, Sozialpädiatrisches Zentrum sowie Projekt ANNA für junge Menschen in Krisen, Krisentelefon Mo – Fr 13 – 15 Uhr, Tel. 0800- 6688100, www.kinderkliniken.de
  • Erziehungsberatung Darmstadt, offene Sprechstunde Mo 16 – 17.30 Uhr, www.darmstadt.de
  • Staatliches Schulamt für den Landkreis Darmstadt-Dieburg und die Stadt Darmstadt, Schulpsychologische Beratung, www.schulaemter.hessen.de