Mit vier Jahren lernte er Klavierspielen, mit neun Jahren komponierte er seine erste Oper, mit 13 Jahren wurde er Konzertmeister in Salzburg: Wolfgang Amadeus Mozart war ohne Frage ein Wunderkind. Auch wenn viele Eltern nicht unbedingt eine derartige Ausnahmebegabung vor Augen haben, wünschen sie sich doch für ihre Kinder, dass sie besondere Talente zum Vorschein bringen oder entwickeln.

Dieser Wunsch ist verständlich. In Zeiten von Castingshows, Kampf um die besten Noten und Konkurrenz um Studienplätze erscheinen Talente und Begabungen als Vorteile, die man in die Waagschale werfen kann, wenn es um Erfolg geht. Entsprechend wichtig ist vielen Eltern die gezielte Förderung von Begabungen.

Lust und Neugier sind wichtige Faktoren

Doch wie erkennt man, ob Sohn oder Tochter in irgendeinem Bereich besondere Talente aufweist oder begabt ist? Begabung ist ohnehin ein schwieriger Begriff. Wie jemand seine Anlagen nutzt, ist immer eine Frage der persönlichen Entwicklung.

So sieht es auch Christine Traiser von der Kunstwerkstatt in Darmstadt. Dort werden Malkurse und künstlerische Workshops für Kinder ab sechs Jahren angeboten. „Bei den Jüngeren kommen die Eltern meist schon, weil sie finden, dass ihr Kind sehr gut malen kann oder künstlerisch begabt ist – das ist oft der Antrieb“.

Ihrer Ansicht nach ist Talent eine Kombination aus Neugier und Lust. „Wir wollen jedes Kind in seiner Kreativität bestärken, es motivieren, eine eigene Ausdrucksmöglichkeit zu finden, und das ohne Leistungsdruck“, sagt die Kommunikationsdesignerin. Dafür setzt das Team um den freischaffenden Künstler und Kunstpädagogen Uwe Wetzel und die Kunstpädagogin Ulla von Sierakowsky Impulse.

„Begabung ist für uns eine Kategorisierung, die es nicht wirklich trifft. Wir haben da schon viele Überraschungen erlebt. Denn eigentlich hat jedes Kind die Begabung, sich kreativ auszudrücken, dieses Talent muss oft nur herausgekitzelt werden.“

Eltern zwischen Talentscout und  Freizeitcoach

Wenn es darum geht, besondere Fähigkeiten ihrer Kinder aufzuspüren, sind Eltern die besten Talentfinder. Denn sie kennen ihr Kind sehr gut und beobachten dessen Entwicklung.

Im Alltag fallen ihnen häufig Dinge auf, die Tochter oder Sohn besonders gut kann. Geht ein Kind beispielsweise außergewöhnlich geschickt mit Werkzeug und Materialien um und hat Freude an kniffligen technischen Aufgaben, deutet das auf praktische Fähigkeiten hin. Kinder, die viel und gerne lesen, sich gewählt ausdrücken und einen großen Wortschatz haben, sind offensichtlich im sprachlichen Bereich talentiert. Und wer jeden Rhythmus mitklatscht, glasklar singt und Melodien nachpfeift, ist sicherlich musisch begabt.

Viele Eltern sind sehr aufmerksam, was die Stärken und Interessen ihres Kindes anbetrifft und versuchen schon früh, es in vielen Bereichen zu fördern. Aber ob es um zweisprachige Kindergärten, ersten Musikunterricht oder frühes Lesen geht – Eltern sollten das richtige Maß finden, um Kinder nicht zu überfordern. Außerdem ist es wichtig, Kinder in der Vor- und Grundschulzeit nicht mit vermeintlich Talent fördernden Freizeitaktivitäten zu überladen.

Selbstvertrauen und Disziplin fördern

Möchten Eltern ein Talent bei ihren Kindern fördern, ist es nicht nur wichtig, das Kind zu einem speziellen Unterricht oder Kurs anzumelden, sondern ihm auch die dafür notwendigen persönlichen Eigenschaften mitzugeben. So brauchen Kinder bei der Entwicklung von besonderen Fähigkeiten Selbstvertrauen, Selbstdisziplin und genug Motivation, um sich auch von frustrierenden Erlebnissen nicht entmutigen zu lassen. Dementsprechend sollten Eltern dem Kind genug Zuspruch geben, es häufig loben und auch in schwierigen Phasen gelassen bleiben.

Tipps für Eltern

Nicht von sich selbst auf das Kind schließen

Auch wenn Mama als Teenager im Tennisverein Preise einheimste und Papa Geige spielt wie David Garret, heißt das noch lange nicht, dass Sohn oder Tochter auch das Zeug dazu, geschweige denn Lust darauf haben. Eltern sollten eigene Wünsche, Erwartungen oder auch Begabungen nicht zum Maßstab für ihr Kind machen.

Nicht nur die Schwächen sehen

Bis der Nachwuchs ein Instrument richtig beherrscht, Maltechniken perfektioniert hat oder jeden Fußball ins Tor bekommt, ist es ein langer Weg. Der kann holprig werden, weil Kinder beim Üben oder Training ihre Defizite erkennen und bisweilen entmutigt werden. Wichtig ist, die Stärken, also das, was das Kind besonders gut kann, in den Vordergrund zu stellen, nicht auf Schwächen herumzureiten und sich mit Bewertungen möglichst zurückzuhalten.

Nicht „überfördern“

Zu viel ist nicht sinnvoll: Wer sein Kind beim Malen, Sport oder Musizieren auf Leistung trimmt, in der Hoffnung, das Talent entfalte sich dadurch erst so richtig, erstickt das Interesse womöglich im Keim. Denn wer es in welchem Bereich auch immer zu etwas bringen will, der muss es wollen. Zu viel Druck verdirbt die Freude und kann demotivieren.

Nicht gleich das Handtuch werfen

„Ich kann das einfach nicht!“ – egal in welcher Disziplin, Motivationstiefs sind normal. Wenn das Kind „keinen Bock mehr“ auf das Instrument hat oder nicht mehr zum Tennistraining gehen will, stehen viele Eltern vor der Frage, wie viel Druck sie ausüben sollen. Unterricht und Training sind teuer, außerdem ist die Enttäuschung darüber, dass das eigene Kind einen so tollen Sport nicht mag, manchmal groß. Zum Weitermachen zwingen sollten Eltern ihr Kind dann nicht. Aber sie können es ermutigen, nicht sofort aufzugeben und Argumente dafür finden, dass es gut ist, am Ball zu bleiben. Wichtig ist, Kindern zu vermitteln, dass man nicht immer dem ersten Impuls, das Hobby hinzuschmeißen, nachgeben sollte.

Nicht Talent auf Teufel komm raus suchen

Tennis, Reiten, Gitarrespielen – bei keiner Disziplin hat sich das Kind bisher als talentiert erwiesen? Dann sollten Eltern keinesfalls nörgeln. Erstens können sich Begabungen später entwickeln. Zweitens schlägt sich nicht jedes Talent in Sport oder Musik nieder, soziale Begabung etwa ist auch ein Talent. Davon spricht man, wenn Kinder sehr einfühlsam sind und mit anderen gut umgehen können. Das bringt ihnen zwar während der Schulzeit keine Pokale ein, spielt aber im weiteren Leben, etwa im Beruf, eine wesentliche Rolle.

fratz spricht mit Elena Martínez-Eisenberg – Leiterin der Musikschule Strings Factory in Darmstadt

Wichtig sind Liebe zum Instrument, Fleiß und Begabung

Frau Martínez-Eisenberg, wie sind Sie zur Musik gekommen?

Im Kindergarten ist meinen Erzieherinnen aufgefallen, dass ich beim Musikmachen sehr aktiv war. Das haben sie meinen Eltern mitgeteilt und angeregt, dass ich ein Instrument lernen sollte. Meine Eltern sind also auf mein Interesse an Musik aufmerksam gemacht worden und haben darauf reagiert, indem sie mir ermöglicht haben, Geige spielen zu lernen.

Erleben Sie das auch oft in  ihrer Musikschule?

Ja, das erleben wir tatsächlich häufiger. Es gibt viele Gründe, warum Eltern schon mit sehr kleinen Kindern zu uns kommen. Meist bemerken sie deren großes Interesse an Musik und möchten ihnen die Gelegenheit geben, sich spielerisch mit dem Musizieren auseinanderzusetzen. Das können bei uns schon Kinder ab eineinhalb Jahren im Rahmen unseres Musik-Garten-Konzepts.

Unter Ihren Schülern sind Preisträger des „Jugend Musiziert“-Wettbewerbs – sind das fleißige Musiker oder begabte Kinder?

Aus meiner Sicht gehört vor allem die Liebe zum Instrument und ein gewisser Ehrgeiz, sich in Wettbewerben zu messen, dazu. Wichtig sind aber tatsächlich auch Fleiß und eine Begabung für das Instrument.

Gibt es ein ideales Alter für Kinder, um mit einem Streichinstrument anzufangen?

Ab einem Alter von vier Jahren ist es sinnvoll, nach oben gibt es keine Altersgrenze. Meine jüngste Schülerin ist drei Jahre alt. Sie hat eine Begabung, die bereits ihren Eltern aufgefallen ist. Es ist nicht vorhersehbar, ob diese Begeisterung anhält. Für den Moment ist es einfach nur schön, dass sie Spaß am Geigenspiel hat. Da sollte man nichts prognostizieren. Wir haben auch Schüler, die mit Mitte 20 oder als Erwachsene anfangen und großartige Fortschritte machen, da ist tatsächlich eine gewisse Begabung vorhanden.

Die Eltern wollen, dass ihr Kind Geige spielt, es selbst aber nicht. Sollten sie es trotzdem dazu animieren?

Ich bin der Meinung, dass es nicht funktioniert, ein übungsintensives Instrument wie Geige zu erlernen, ohne dass der Impuls vom Kind ausgeht. Eltern können ihre Kinder aber inspirieren und ihnen den Zugang zu Instrumenten ermöglichen. Ein Kind, das keinerlei Erfahrungen mit einem Instrument macht, kann sich ja nicht aktiv für oder gegen das Musizieren entscheiden.

Wenn ein Kind die Lust am Instrument verliert, sollten Eltern es zum Weitermachen bewegen?

Da würde ich mir wünschen, dass die Eltern unbedingt zum Lehrer Kontakt aufnehmen. Manchmal zeigt sich der Interessensverlust nur beim Üben zu Hause, nicht im Unterricht. Viele Hausaufgaben oder andere Hobbys, die nicht genug Raum lassen, in Ruhe zu üben, können Gründe dafür sein, dass die Musik keinen Spaß mehr macht. Eltern sollten mit Feingefühl hinterfragen, warum ihr Kind aufhören will. Es unter Druck zu setzen, ist aus meiner Sicht keine Lösung. Ich denke, Schwankungen sind durchaus normal. Wichtig ist, dass die Kinder den Draht zum Instrument nicht ganz verlieren.

Musisch interessiert? So können Eltern Kinder fördern

•  Musisch steht für die schönen Künste betreffend und meint die Aufgeschlossenheit gegenüber Kunst sowie die künstlerische Begabung.

•  Im Allgemeinen sind musisch-künstlerisch begabte Kinder sehr kreativ, fantasievoll und spontan, und das fällt bereits im Kleinkindalter auf. Sie können beispielsweise Lieder schon nach ein- oder zweimaligem Hören nachsingen oder -summen.

•  Auch ein großes Interesse an Musikinstrumenten im Vorschulalter ist ein Zeichen. Eltern sollten dann die Möglichkeiten der musikalischen Früherziehung nutzen und ihr Kind an einem Kurs teilnehmen, oder ein Instrument lernen lassen.

•  Kinder, die künstlerisch talentiert sind, malen sehr gerne und auch sehr gut. Sie experimentieren mit Stiften und Farben und schaffen immer wieder neue kreative Bilder. Außerdem basteln sie mit großer Leidenschaft und vor allem mit viel Geduld.

•  Eltern sollten ihr Kind anregen, verschiedene Techniken durch Wasserfarben, Stifte oder Wachsmalkreiden auszuprobieren und sie vielleicht auch an einem Zeichen- oder Bastelkurs teilnehmen zu lassen.

Finde das Talent!

Pädagogen empfehlen, Kinder bis zum achten Lebensjahr in möglichst viele Bereiche reinschnuppern zu lassen. Im Vordergrund sollte das Ausprobieren stehen, werden die Kinder zu früh auf Leistung geeicht, verlieren sie schnell die Lust. Aber auch das sollte möglich sein: mal im Trampolinkurs mitzumachen, aber dann wieder aufzuhören. Denn zur Entdeckung und Förderung von Talenten gehört auch, dass Kinder vieles kennenlernen und dadurch herausfinden, was ihnen wirklich liegt.

Für Eltern sind diese Fragen wichtig:

•  Womit beschäftigt sich mein Kind am liebsten?

•  Was macht es aus eigenem Antrieb und selbstständig?

•  Wofür setzt es sich über längere Zeit ein?

• Was kann es gut?

• Worin macht es schnell Fortschritte?

Psychomotorische Begabung –  damit unterstützen Eltern ihre Kinder

•  Ist ein Kind psychomotorisch begabt, heißt dies vereinfacht: Das Kind verfügt über körperliches Geschick. Die Begabung kann zum Beispiel eine überdurchschnittliche Befähigung im Sport oder Tanzen bedeuten.

•  Psychomotorisch begabte Kinder sind meist sportlich sehr interessiert, sind offen für verschiedene Sportarten und begeistern sich dafür.

•  Sportvereine sind für psychomotorisch begabte Kinder eine wichtige Spielwiese, um Fähigkeiten zu erproben.

fratz spricht mit Maren Wegner – Mitarbeiterin der künstlerischen Leitung bei TASK Schauspielschule für Kinder & Jugendliche

Was können Kinder und Jugendliche bei TASK lernen?

Der Schwerpunkt des Unterrichtes liegt natürlich auf dem Schauspiel, zum Beispiel dem Hineinversetzen in eine Figur, dem Ausdruck und Erzählen von Geschichten über Sprache und Körper, dem Agieren auf der Bühne, dem Reagieren auf die Spielpartner, dem Transportieren von Emotionen und Inhalten bis in den Zuschauerraum. Zudem lernen Kinder und Jugendliche, was „konstruktive Kritik“ bedeutet. Bei TASK gibt es anders als in der Regelschule kein „richtig“ und „falsch“.

Die Zuschauenden beschreiben, was sie auf der Bühne gesehen und was sie dabei empfunden haben und geben Verbesserungsvorschläge. Die Spielenden beschreiben ebenso ihre Erfahrungen auf der Bühne. So gibt es einen Austausch auf Augenhöhe, keinen Druck, keine Noten. Dabei geht es nicht nur um das Fachliche, sondern vor allem auch um das Menschliche.

Welche wichtigen Erfahrungen machen sie dabei?

Alle oben genannten Punkte verbinden wir mit einer spielerischen Entwicklung der Persönlichkeit. Da geht es um Teamgeist, Fairness, Respekt, Wahrnehmung von sich selbst und anderen, ums Zuhören und -schauen und darum, miteinander etwas zu erschaffen. Mit viel Spaß lernen die Kinder, über das Schauspiel sich selbst, ihren Körper, ihre Sprache und auch ihre Gefühle wahrzunehmen. Und das Wichtigste: Das alles passiert ohne Angst oder Druck, dafür mit Freude und der individuellen Kreativität jedes einzelnen Schülers. Schritt für Schritt entsteht so ein kleines eingespieltes Ensemble, und die Schüler bewältigen mit Teamgefühl und Vertrauen immer sicherer neue Herausforderungen.

Hat jedes Kind das Zeug zum Schauspielern?

Grundsätzlich ja. Das „Schau-Spielen“ liegt in der Natur des Menschen. Kinder lernen sehr früh durch Nachahmung, ohne dass es ihnen gezeigt wird. Sie imitieren Eltern, Tiere oder etwa ein Flugzeug. Sie versetzen sich in andere Menschen, nehmen andere Rollen an, indem sie beispielsweise „Vater, Mutter, Kind“ spielen. Kreativität und Fantasie, zwei wichtige Faktoren beim Schauspiel, sind jedem Menschen von Geburt an mitgegeben.

Haben Sie schon junge Talente entdeckt, die später als Schauspieler erfolgreich wurden?

Ja. TASK gibt es seit mehr 20 Jahren, wir haben deutschlandweit elf Standorte. Über die Jahre gab und gibt es viele Schüler, die an staatlichen Schauspielschulen studieren, auf Theaterbühnen oder in freien Projekten arbeiten. Andere sind im Fernsehen zu sehen, sogar in deutschen Kino- oder auch Hollywoodfilmen. Dennoch: Erfolg, Karriere und Ruhm sind definitiv nicht die Hauptziele des Unterrichts. Uns geht es immer zuallererst um das Kind beziehungsweise den Jugendlichen – so wie er oder sie jetzt ist – und darum, ihm oder ihr mit Respekt, Spaß und Wertschätzung das Schauspiel nahezubringen und eben auch die genannten Werte. So steht TASK für spielerisch lernen und dafür, sich mit Spaß, Kreativität und Phantasie zu entwickeln. Kurz gesagt: Es ist eine Schauspielschule fürs Leben.