Unsere Autorin Vera Gramm stellt eine Hausgeburten-Hebamme vor, die im Raum Darmstadt und Babies zur Welt bringt.

Iris Rapolder arbeitet seit zwölf Jahren als freiberufliche Hebamme und begleitet außerklinische Geburten, anfangs im Geburtshaus, mittlerweile als freiberufliche Hausgeburtshebamme in und um Darmstadt.

Voller Energie sitzt mir Iris gegenüber, ihre Offenheit, ihr Humor und das verschmitzte Lachen machen sie mir sofort sympathisch. Sie strahlt eine solche Wärme aus, dass auch das nasskalte Juni-Wetter uns nichts anhaben kann und ich jede Frau verstehe, die Iris ein „Ja“ zur Geburtsbegleitung gibt.

Mehr als 210 Frauen hat Iris bereits unter der Geburt begleitet, etwa 20 Kindern pro Jahr auf dem Weg ins Leben in die Arme ihrer Mütter gehoben. Neben der aktiven Geburtshilfe bietet Iris Geburtsvorbereitungskurse, psychische und medizinische Unterstützung während der Schwangerschaft (etwa in Form von Akupunktur) an, führt Vorsorgeuntersuchungen durch und begleitet die frischgebackene Familie liebevoll und zeitintensiv durch die Wochenbettzeit und bei Bedarf bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes.

Die vormalige Studentin der Politikwissenschaft ist so voller Energie, dass sie neben ihrer Ausbildung zur Hebamme vor 15 Jahren am Universitätsklinikum Mainz die Befähigung zur Akupunktur in der Geburtshilfe erlernte. Sie selbst ist zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet mit dem „tollsten Hebammenmann“ und Mutter dreier Kinder. In ihrer Familie findet sie Halt und Kraft, ihr Mann hält ihr den Rücken frei, trägt die Freiberuflichkeit, inklusive Rufbereitschaften, Nachtarbeit, häufig klingelnde Handys bis heute klaglos aus und ist stolz auf sie. Die mittlerweile erwachsenen Kinder finden sich immer noch gerne zum gemeinsamen Familienurlaub ein, was Iris zum Auftanken der inneren Energiereserven nutzt. Zu einer guten Work-Life-Balance gehören für sie neben ihrer Familie auch Sport und ihr Freundeskreis. Sie lacht, als ich frage, ob viele ihrer Freundinnen ebenfalls Hebammen seien. „Nein, aber manche.“ Iris arbeitet interdisziplinär in der Praxisgemeinschaft Amao in Darmstadt. Hier finden Familien neben Unterstützung durch Hebammen auch familylab-Kurse, psychotherapeutische und Osteopathie-Angebote.

„Jede Geburt hat ihren eigenen Zauber, ihre eigene Geschichte und ich erinnere mich an jede einzelne von mir begleitete Geburt“, erzählt mir Iris. Sie lernt die schwangeren Frauen meist in der Frühschwangerschaft kennen, sie verbringen viel Zeit zusammen, es gibt Platz für Gedanken, Wünsche und Vorstellungen der Frau für die Geburt ihres Kindes, welche im geschützten Zuhause stattfinden soll. „Dass der Partner der Frau die Entscheidung zu einer Hausgeburt 100 Prozent mitträgt, ist mir wichtig, nur so werden wir ein gutes Geburtsteam“, verrät Iris. Zu diesem Geburtsteam gehört meist noch eine zweite, Iris unterstützende Hebamme. Frauen, die sich eine Hausgeburt wünschen, tun dies aus unterschiedlichen Gründen (etwa weil das große Geschwisterkind betreut sein soll), doch nahezu alle von ihnen wünschen sich eine selbstbestimmte Geburt. Sie vertrauen ihrem Körper, der Kraft der Natur und wünschen ein unvergessliches, natürliches Erleben. Iris arbeitet interventionsarm: Als wunderschön hat sie in Erinnerung, wie ein Kind in der Geburtswanne in die Hände des Vaters geboren wurde. Sie als Hebamme war die medizinisch fundierte Begleiterin auf Beobachtungsposten. Seit zweieinhalb Jahren musste Iris keine Geburtsverletzung durch Nähen versorgen.

Annemarie Lea | Geburtsfotografin

Annemarie Lea | Geburtsfotografin

Manche Frauen haben bereits traumatische Geburten durchlebt, geprägt von Interventionskaskaden, Fremdbestimmung im Kreißsaal. Tabuisierte Themen, die sich erst in jüngster Vergangenheit in das gesellschaftliche und politische Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit drängen und häufig den schlechten Arbeitsbedingungen und dem Hebammenmangel geschuldet sind: Klinische Kreißsaalhebammen leisten einen herausragenden Job, indem sie sich ohne Kennenlernphase unglaublich schnell auf werdende Eltern einzustellen versuchen und häufig mehrere Frauen gleichzeitig betreuen müssen.

Meist gilt es, sich bereits vor der zwölften Schwangerschaftswoche eine Nachsorgehebamme zu suchen. Wem dies nicht gelingt, der kann sich dank Iris und ihren acht Kolleginnen an die Darmstädter Wochenbettambulanz wenden, ansässig im Stadthaus. Hier können Frauen ohne Nachsorgehebamme online einen Termin ausmachen und sich (auch wiederholt) beraten lassen, Fragen stellen, Unterstützung beim Stillen suchen. Auch Geburtsverletzungen, die Rückbildung der Gebärmutter und die Gewichtszunahme des Säuglings werden kontrolliert. „Gerade die Zeit des Wochenbetts wird gesellschaftlich vernachlässigt. Der Fokus liegt heutzutage auf der „Kugelzeit“, der Schwangerschaft“, meint Iris.

Die selbstbestimmte Geburt

„Mein größtes Anliegen ist die selbstbestimmte Geburt. Das kann auch der Wunsch nach einer primären Sectio („Wunschkaiserschnitt“) sein“, betont Iris. „Hier ist mir aber besonders eine umfassende Aufklärung der werdenden Mutter wichtig.“

Für die außerklinische Geburtshilfe gibt es strenge Standards und enge gesetzliche Vorgaben. „Dies ist auch gut so, denn das gibt uns Hebammen Sicherheit und den schwangeren Frauen Orientierung in ihrer Entscheidung pro oder contra Hausgeburt. Sie dienen dem Schutz von Mutter und Kind.“ Ausschlusskriterien für eine Hausgeburt sind Geburten vor der Schwangerschaftswoche 37+0 und nach 42+0 (Geburten von „Frühchen“ oder übertragener Kinder), Adipositas der Mutter, Lageanomalien des Kindes (Quer- oder Beckenendlagen), Mehrlingsschwangerschaften, auffällige CTGs (Kardiotokografie: zeichnet Herztöne des Ungeborenen und evtl. Wehentätigkeit der Mutter auf), schlechte Eisenwerte der Mutter (die eine übermäßige, postpartale Blutung begünstigen würden). Und dennoch kann es auch bei einer Hausgeburt zu einer Verlegung in das nächste Krankenhaus kommen. „Selten passiert dies als Notfall, wir Hebammen achten sehr genau auf Anzeichen von Unregelmäßigkeiten und reagieren dann schnell und professionell.“ In ihrem Hebammenkoffer transportiert Iris vorschriftsgemäß Notfallmedikamente. Lebenslanges Lernen, Fortbildungen, Simulationstrainings, Supervisionen und ein strenges Qualitätsmanagement mit externen Begutachtungen sind vorgeschrieben. Sowohl die Versicherungsleistungen für Hebammen als auch die Sicherstellungspauschale sind daran geknüpft.

Einen echten Notfall am Kind habe sie in all den Jahren einmal erlebt: „30 Minuten nachdem ich bei der Familie ankam, kam der kleine Junge sehr schlapp auf die Welt. Wir haben den Kindernotarzt gerufen und ihn sofort notfallmedizinisch versorgt. Kurze Zeit später waren die Anpassungsschwierigkeiten überwunden, nur zur Beobachtung kam er ins Kinderkrankenhaus. Heute klettert er auf Bäume.“ Häufige Gründe für eine Verlegung unter der Geburt sind Erschöpfung der Frau und der Wunsch nach Schmerzmedikamenten (wie der PDA = Periduralanästhesie). Sehr viel seltener ist eine medizinische Indikation wie eine Verzögerung der Plazentageburt mit einhergehendem erhöhten Blutverlust der Mutter oder Anpassungsproblemen des Neugeborenen. Statistisch verlegte Iris bisher jede achte Geburt ins Krankenhaus. Immer findet eine Nachbesprechung der Geburt statt.

Hebammenarbeit ist Familienpolitik

„Hebammenarbeit ist Familienpolitik im Kleinen“, sagt sie und nimmt regelmäßig am runden Tisch der Geburtshilfe in Darmstadt teil, der durch den Verein Motherhood e.V. initiiert wird. „Die Zusammenarbeit zwischen Hebammen und Gynäkologen ist mir sehr wichtig. Wir sitzen in einem Boot. Zwei Ultraschallscans sind Voraussetzung für eine von mir begleitete Hausgeburt, ebenso wie das Abwechseln der Vorsorgeuntersuchungen bei dem Arzt und mir.“
Mit den Jahren an Berufserfahrung wird Inge ihr Bauchgefühl immer wichtiger, die Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper spielen auch in der Geburtshilfe eine große Rolle. Selbstreflexion ist ein großes Thema, die Fragen „Wo will ich hin? Wie will ich begleiten?“ beschäftigen Iris, um „Hebammenkunst mit Zwischenmenschlichem zu verbinden“.

Wochenbettambulanz

Frankfurter Str. 71
1. Stockwerk, Raum 146a/b,
64293 Darmstadt
wochenbettambulanz@mailbox.org

Annemarie Lea | Geburtsfotografin

Annemarie Lea | Geburtsfotografin

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