Sicherlich haben Sie sich auch schon die Frage gestellt, ob es sinnvoll ist, Ihr Kind ans Sterbebett oder zu einer Beerdigung mitzunehmen. Selten fühlen wir uns so hilflos wie beim Thema Tod und sind dabei mit unseren eigenen Unsicherheiten konfrontiert. Wir möchten unsere Kinder schützen und das Richtige tun. Im Alltag begegnen Kinder und Jugendliche dem Tod häufiger als wir glauben: Seien es der Tod des Meerschweinchens, des Großvaters der besten Freundin oder gar der Tod eines Elternteils – die Tode in den Medien gar nicht mitgezählt. Der Tod ist Teil unseres Lebens. Kinder haben ein Recht auf diese Wahrheit und darauf, Lebenserfahrungen zu sammeln – begleitet und unterstützt.

„Kinder stellen Fragen, die Erwachsene oft nur denken“ ¹

Kinder brauchen mitfühlende, achtsame und stabile Begleitung

Je natürlicher, offener und ehrlicher Eltern dem Thema Tod begegnen und es besprechen, desto gestärkter kann ein Kind aus einer Trauersituation hervorgehen. Manchmal gibt es keine Antworten – und auch das darf gesagt werden. So helfen wir Kindern, sich auf das Sterben vorzubereiten, den Tod zu begreifen und zu trauern. Manchmal sind Eltern überfordert, weil sie in ihrer eigenen Trauer stecken. Dann können auch andere, den Kindern nahestehende Menschen, einspringen und es kann professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Heilsame Wege und Rituale in der Zeit der Trauer

Für Menschen jeden Alters gilt, dass sie zwar traurig und zutiefst erschüttert sein können, wenn ein Mensch gestorben ist, aber in den seltensten Fällen handlungsunfähig. Die (Mit)Gestaltung der Abschiedsschritte und die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse wirken oft stärkend. So können heilsame und tragende Erinnerungen entstehen, die ins weitere Leben mitgenommen werden. Wichtig ist dabei, dass die Trauernden selbst entscheiden, was sie in welcher Form tun oder lassen.

Fragen Sie die Kinder nach ihren Wünschen und Vorstellungen

Jedes Kind hat ganz unterschiedliche Bedürfnisse und will ernst genommen werden. Kinder wollen Antworten auf ihre Fragen und suchen Möglichkeiten, ihre Gefühle auszudrücken. Das folgende Beispiel zeigt, wie man Kinder und Jugendliche in den Prozess des Sterbens, Abschiednehmens und Trauerns einbeziehen kann: „Zwei Kinder bemalen mit ihrer sterbenden Mutter den Sarg. Der Junge stellt viele Fragen – der Sterbenden und den anderen Erwachsenen, mit seiner unbefangenen Art baut er ihnen Brücken. Nach dem Tod der Mutter legt er ihr ganz selbstverständlich ihre Lieblingskette an, berührt sie ohne Scheu und kommt ihr ganz nah. Seine Schwester nimmt sich immer wieder Auszeiten. Beide legen Kuscheltiere in den Sarg. Sie weinen, sind wütend und lachen und brauchen immer wieder die tröstliche Unterstützung von Erwachsenen. Genauso wichtig sind ihnen aber auch Freunde und der ganz normale Alltag, wie das Training im Sportverein. Die Tochter gestaltet Collagen aus dem Leben der Familie, die bei der Trauerfeier gezeigt werden. Beide freuen sich auf Ihre Schatzkisten, in die ihnen die Erwachsenen Geschichten über ihre gestorbene Mutter und andere Geschenke legen. Sie suchen den Grabplatz mit aus und gestalten das Grab immer wieder neu.“ Scheuen Sie sich nicht, auch kleinere Kinder mit ans Totenbett zu nehmen, wenn diese das möchten. Gleiches gilt fürs Sterbebett. Kinder brauchen die Erlaubnis, bei allen Schritten dabei sein zu dürfen genauso wie die Erlaubnis, auf Distanz gehen zu können und sich zurückzuziehen. Außerdem brauchen sie eine erwachsene Bezugsperson für ihre Fragen und Gefühle. Die durch die Medien vermittelte Vorstellung vom Tod und die eigenen Fantasien sind oft schlimmer als die Realität, und auch die Ängste der Erwachsenen übertragen sich auf Kinder. Erfährt Ihr Kind nicht, was sich hinter der geschlossenen Tür verbirgt, hinter der seine Oma gerade gestorben ist, oder warum Sie gerade weinen, bleibt ein nebulöses Gefühl zurück. Kinder brauchen die Sicherheit, dass die Erwachsenen für sich selbst sorgen, sonst schonen sie ihre trauernden Eltern, stellen ihre eigene Trauer zurück und fühlen sich schuldig. Trauerfreie Räume und ganz normaler Alltag hingegen sind ebenso wichtig. Angemessene und positive Reaktionen von Schule, Nachbarn und Vereinen tun gut.

Kostbare Zeit von Tod bis Bestattung ²

Wenn Sie einem Kind erklären müssen, dass jemand gestorben ist, sollten Sie dies so klar und ehrlich wie möglich tun und ihm gleichzeitig Sicherheit vermitteln. Kinder sollten auf sichtbare Veränderungen vorbereitet sein. Hier ein Beispiel für erklärende Worte: „Wenn Blumen gestorben sind, werden sie braun und trocken und verlieren ihre Blätter. Tote Menschen werden meistens bleich und ein wenig gelber als sonst. Man könnte meinen, sie schlafen.“³

Wenn Kinder die gestorbenen Menschen berühren möchten, werden sie begreifen, dass der Mensch gestorben ist, dass sich tot sein kalt anfühlt und lebendig sein warm. Sie werden begreifen, dass der Platz der Toten bzw. des toten Körpers nicht mehr hier ist, sondern auf dem Friedhof und nur die Erinnerung weiterlebt. Auch nach plötzlichen Toden und Suizid ist die Begegnung mit dem Toten – häufiger als wir glauben – möglich und kostbar. Lassen Sie sich Zeit für Ihren ganz persönlichen Abschied. Sie können in Ruhe am Bett sitzen, erzählen, singen, Kinder dort spielen lassen, beten. Sie können auch die gestorbene Person waschen, ankleiden, persönliche Dinge in den Sarg legen, z.B. ein selbst gebasteltes Kindergeschenk, den Sarg bemalen oder gemeinsam schließen. Wichtig ist die achtsame und liebevolle Begleitung der gestorbenen Menschen – auf jeder Ebene: körperlich und spirituell.

Die Trauerfeier: Zusammensein, Erinnern und Abschied gestalten

Kinder sollten entscheiden können, ob sie an der Trauerfeier teilnehmen möchten oder nicht. Sie sollten auf den Abschied vorbereitet und über die üblichen Abläufe und mögliche Verhaltensweisen der Trauernden informiert werden. Sind die Eltern stark mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt, kann es hilfreich sein, dem Kind einen anderen vertrauten Menschen zur Seite zu stellen. Viele Kinder freuen sich, wenn sie selbst aktiv sein und mithelfen können. So können sie bei der Planung des Erinnerungsfestes einbezogen werden: in die Reden oder in den von Angehörigen und Freunden selbst gestalteten Ablauf, beim Schmücken des Raumes und des Sarges helfen, Kerzen oder Steine am Sarg ablegen, Blumensamen austeilen, die Urne halten oder Selbstgebasteltes ins Grab legen. Für Kinder, die eine vertraute Person verlieren, kann eine Schatzkiste aufgestellt werden, in der Erwachsene Briefe mit ihren Erinnerungen oder guten Wünschen und andere Geschenke hineingeben.

Das Grab: Ort der Erinnerung

Auch Kinder haben eine Meinung dazu, ob ein Mensch begraben oder verbrannt werden sollte, welcher Friedhof und welcher Grabplatz passt – wir können sie fragen. Eine gestaltbare Ecke auf dem Grab bietet Kindern Ausdrucksmöglichkeiten für ihre Trauer. Wichtig ist, das Grab so auszuwählen und zu gestalten, dass es ein Platz wird, an den sie gerne gehen und der ihnen Kraft, Trost und Geborgenheit geben kann. Ein Ort, an dem sie sich dem gestorbenen Menschen nah fühlen können.

Trauer braucht Zeit und Raum

Trauer ist eine natürliche und gesunde Antwort auf einen Verlust. Die Gestaltung persönlicher Erinnerungsplätze und der Jahrestage, wie zB. Todes- und Geburtstag, wirkt tröstlich und stabilisierend. Trauernden Kindern tut es gut, mit anderen Kindern zusammen zu sein, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und Angebote zu erhalten, über ihre Trauer zu reden, sie zu zeigen.

Wenn Kinder sterben

Viele der oben genannten Aspekte gelten auch beim Tod eines Kindes. Besonders wichtig ist jedoch: In Ruhe verabschieden. Wenn ein Kind in der Schwangerschaft, während der Geburt oder auch in den Jahren danach stirbt, ist eine Abschiednahme in Geborgenheit gebender Umgebung besonders wichtig. Eltern können ihr Kind aus dem Krankenhaus noch einmal nach Hause holen und sich dort in Ruhe verabschieden. Was immer die Todesumstände waren, es hat etwas Heilsames, sein totes Kind noch einmal in den Arm nehmen zu können, ein letztes Mal liebevoll zu versorgen, es zu berühren, riechen, streicheln, es in den Sarg zu betten – wichtige Erinnerungen und Trittsteine auf dem Trauerweg.

Erinnerungen schaffen

Alles, was betroffene Eltern in dieser Zeit an Eindrücken ihres Kindes sammeln können, bietet Erinnerung für ein ganzes Leben. Das können Hand- und Fußabdrücke sein oder eine Haarlocke. Sie können Fotos machen, einen Gegenstand teilen und die eine Hälfte dem Kind mitgeben, die andere behalten und vieles mehr. Bei Todesfällen in der Schwangerschaft ist es Eltern oft wichtig, ihrem Kind einen Namen zu geben, Namensbändchen und Geburtsurkunden ausstellen zu lassen oder auch Geburts- und Todeskarten zu versenden. Ihnen ist auch wichtig, sich angemessen von ihrem Kind zu verabschieden, Abschiedsrituale zu gestalten und einen guten Ort für ihr Kind zu finden. In Darmstadt gibt es eine Grab- und Gedenkstätte für fehl- und totgeborene Kinder und die Zahl der Eltern wächst, die ein eigenes Grab wünschen.

Wir alle sind Lernende auf dem Trauerweg

Lassen Sie sich und anderen Zeit – auch jahrelang Zeit für Ihre Trauer. Wir gehen nicht durch die Trauer und sind dann wieder geheilt und funktionstüchtig, sondern haben sie als weitere Lebens-Qualität „hinzugewonnen“. Begleitenden sei gesagt: Seien sie einfach da, warmherzig, menschlich, verständnisvoll und klar. Folgen Sie den individuellen Pfaden, denn jeder Mensch trauert anders und darf seinen ganz eigenen Weg gehen.

Die Autorin ist Bestatterin und Trauerbegleiterin aus Darmstadt.

Unterstützende Institutionen

Die Zeit vor dem Tod: PalliativNetz Darmstadt (PaNDa) www.palliativnetz-darmstadt.de

Die Trauerbegleitung: Netzwerk Trauer in Südhessen www.netzwerk-trauer.de

Bundesverband verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. www.veid.de

www.schmetterlingskinder.de (Seite für Eltern, die ihr Kind in der Schwangerschaft, während der Geburt oder durch plötzlichen Säuglingstod verloren haben.)