Sanft schwebten weiße Flocken zur Erde und verschmolzen mit dem glitzernden Band, welches die Bäume und Büsche bedeckte, als Fips aus seinem tiefen Schlaf erwachte. Herzhaft gähnend streckte er sich und setzte sich schließlich auf. Verwirrt kratzte er sich hinter seinen pelzigen Ohren.

Es schneite noch? Dann war ja noch Winter! Vorsichtig streckte er sein Näschen aus dem Astloch, welches er zu seinem Bau gemacht hatte, und sog die Luft ein. Hatschi! War das vielleicht kalt da draußen. Ein Grummeln riss das kleine Eichhörnchen aus seinen Überlegungen. Ein Heißhunger auf Nüsse breitete sich in ihm aus. Schnell war Fips aus seinem Nest und den dicken Stamm der Eiche hinab geklettert. Für diesen Fall hatte er vorgesorgt. Gleich hier unter dieser Wurzel hatte er Beeren und Nüsse gelagert. Erwartungsvoll steckte er seine Nase zwischen die vereisten Wurzeln des Baumes und fand… nichts. Der Duft der Früchte hing noch in der Luft, aber so sehr er auch suchte und grub: Seine Vorräte blieben verschwunden.

Das durfte doch nicht wahr sein! Aber halt! Zwischen den Gerüchen des verschwundenen Essens hing noch ein weiterer. Ein anderes Eichhörnchen hatte seine Vorräte geklaut! War das denn zu fassen? Entrüstet plusterte Fips sein orangenes Fell auf. Er wusste, was zu tun war. Er würde die Fährte verfolgen und sich zurückholen, was ihm gehörte!

Fips schritt um die dicke Eiche herum und ließ den kalten Wind den Geruch des fremden Eichhörnchens und den Duft der Nüsse und Beeren zu ihm tragen. Die Nase im Wind folgte er der Spur durch Büsche und Sträucher und eine krumme Fichte hinauf. Während Fips von Ast zu Ast sprang spitzte er seine Ohren, um auch nur bei der leisesten Andeutung von Gefahr in Deckung gehen zu können. Der Geruch wurde stärker. Als Fips um einen dicken Stamm herum spähte erblickte er einen grauen Eichhörnchenschweif, der aus einem Astloch heraus ragte.

Da war der Dieb! Die Vorräte mussten sich in dem Loch befinden. „He, Du!“ Fips sprang hinter dem Stamm hervor. Erschrocken quiekte das graue Eichhörnchen auf und kippte kopfüber in seinen Bau. „Huch?“ keuchte es und lugte verunsichert hervor. „Du hast meine Vorräte gestohlen!“ wütend funkelten Fips Augen. „D…Deine Vorräte?“ Fips baute sich vor dem verschreckten Eichhörnchen auf „Ja, meine Vorräte. Gib sie mir zurück!“ Mit einem entsetzten Quieker verschwand der graue Kopf und tauchte nicht mehr auf. Fips sprang hinterher in den geräumigen Bau. Das graue Eichhörnchen hatte sich an die Wand gepresst und zu einer zitternden Kugel zusammen gerollt. Vielleicht war er ja etwas zu streng gewesen, dachte Fips. Aufmunternd stupste er den Fellball an. Aus dem grauen Eichhörnchen sprudelte alles heraus: „Ich habe einfach verpasst, mich rechtzeitig um Nahrungsvorräte für den Winter zu kümmern, so abgelenkt war ich vom Sommer und den bunten Schmetterlingen. Weißt du, es ist mein erstes Jahr alleine. Als ich dann anfing, mir Vorräte anzulegen, war beinahe alles schon fort gewesen. Und.. und als ich heute an deinen Leckereien vorbeigekommen bin, konnte ich einfach nicht wiederstehen.“ Bestürzt senkte es den Blick. „Es tut mir leid“, verlegen scharrte es mit den Pfoten. „Du kannst deine Vorräte natürlich wieder mitnehmen“ fügte es hastig hinzu. Nachdenklich blickte Fips es an „Weißt du was? Vielleicht… vielleicht können wir uns ja meine Vorräte teilen.“

Und so kam es, dass die beiden Seite an Seite einschliefen, während der Schnee aus dicken, grauen Wolken auf die Erde herab schwebte und sich dort wie ein glitzerndes Tuch über die Büsche und Bäume legte.

Ella Schwinnen ist 14 Jahre alt und kommt aus Roßdorf. Ihre Leidenschaft ist das Schreiben von Geschichten. Im vergangenen Jahr hat sie den hessischen Literaturpreis „OHNEPUNKTUNDKOMMA“ gewonnen.